Thread: Lesezirkel
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Old 06-01-2010, 16:56   #45
Astrid
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Torsten, Konsequenz ist für mich nicht gleich Gewalt und nicht nach der alten Schule zu gehen nicht gleich Laissez-Faire (oder Hutschi-Gutschi) in der Hundeerziehung (davon halt ich übrigens auch in der Kindererziehung nichts ).

Ich bin ganz eindeutig für klare Regeln und Strukturen, auf deren Einhaltung auch geschaut wird, denn sonst bräuchte man ja überhaupt keine Regeln. Wie schon erwähnt: wer nicht weiß, wie er sich verhalten soll, was erlaubt und gewünscht oder nicht erlaubt und unerwünscht ist, kann sich gar nicht richtig verhalten. Gilt für jedes Lebewesen in einer Gemeinsschaft. Genauso gilt für jedes Lebewesen, dass es sich - soweit dies möglich ist - zu seinen Gunsten ausbreiten wird oder aber sich - je nach Charakter - mehr oder weniger stark wehren wird, wenn ihm Annehmlichkeiten streitig gemacht werden sollen.

Ich finde es auch enorm wichtig, dass man nicht einfach nur Hundehalter, sondern Hundeführer ist. Das impliziert, dass ich als Mensch agiere und mein Hund dann auf mich reagiert (leider ist es sehr häufig genau umgekehrt). Ich stelle die Regeln auf, ich setze die Regeln durch und ich verwalte alle von meinen Hunden begehrten Resscourcen. Ich bin Hundeführer (andere nennen es Chef, Alpha, Leader, Rudelführer - ganz egal wie, hauptsache man verhält sich entsprechend) und agiere so souverän wie möglich.

Natürlich streichle ich meine Hunde nicht nieder, wenn sie meine Regeln missachten. Ich denke auch nicht, dass es immer nur mit positiver Bestärkung geht. Aber Fakt ist leider, dass viel zu häufig viel zu schnell zu Gewalt übergegangen wird - in Situationen, wo´s weder nötig noch dem Hund gegenüber fair ist. Wie oft werden Hunde für etwas bestraft, obwohl sie eigentlich noch nicht einmal wissen, was nun genau von ihnen verlangt wird. Wie oft wird jegliches Fehlverhalten eben mit Dominanz erklärt, weils so schön praktisch ist und man dann eben "guten Gewissens" grob werden kann?

Meine Hündin z.B. musste erst lernen, sich überall anfassen, sich auch mal festhalten und sich was abnehmen zu lassen. Kannte und mochte sie anfangs alles nicht und hat darauf mit schnappen und beißen reagiert. Nun hätt ich sie dafür grob auf den Buckel drehen können oder aber - so wie ich´s gemacht hab - am Vertrauen arbeiten, sie für gewünschtes Verhalten belohnen und ihr vermitteln, dass ihr nichts passiert, ihr kein Nachteil entsteht, sondern sie im Gegenteil noch Vorteile daraus zieht, wenn sie auch für sie unangenehme Situationen toleriert. Ich nehme mal an, dass dieses Vorgehen bei einem Welpen noch recht logisch erscheint. Wie siehts aber bei einem erwachsenen Hund aus? Wie schnell wird da mit Dominanz argumentiert, obwohl der erwachsene Hund womöglich auch einfach noch nicht gelernt hat, was von ihm gewünscht wird und dass das auch absolut ok ist?

Um beim Beispiel mit dem Futter zu bleiben - weil in den letzten Beiträgen gerade davon gesprochen wurde: du schreibst ja auch, dass bei deinen Hunden auch ein Rangniedrigerer seine Beute gegen Ranghöhere verteidigt und dies akzeptiert wird. Wieso wird dann immer noch so dermassen häufig behauptet, ein Hund wäre dominant, bloß weil er seine Beute (Futterschüssel, Knochen...) gegen seinen Menschen verteidigt? Wieso nimmt sich der Mensch da für wichtiger als der Apha in einem Wolfsrudel und erwartet, dass Hund ihm die Beute überlässt - bloß weil er Mensch ist? Wieso soll Hund gerade da plötzlich aus seiner Hundehaut raus können und das in Hundesprache sicher absolut unhöfliche und respektlose Verhalten seines Menschen mit menschlichen Maßstäben messen? Wieso hinterfragen die Wenigsten, ob sie selbst da vielleicht zu wenig oder falsch geübt haben und ihrem Hund nicht vermitteln konnten, dass Beute dem Menschen geben keinen Nachteil bringt?
Ich finde es absolut wichtig und nötig, dass man seinem Hund alles abnehmen und ihn überall anfassen kann! Nicht, dass ich da falsch verstanden werde! Aber gerade in diesen Situationen arbeite ich mit Vertrauen und über positive Motivation, weil ich denke, dass man damit wesentlich weiter kommt, als mit Gewalt.

Umgekehrt - würde es einer meiner Hunde jemals wagen, mich z.B. auf der Couch anzubrummen, würde er - absolut unalternativ - in hohem Bogen von der Couch fliegen, so schnell könnt er gar nicht schauen. Ganz einfach deshalb, weil ich mir sicher bin, dass sie die Regeln verstanden haben und ihr Verhalten somit absolut respektlos wäre. Ist aber bisher noch nicht passiert - eben weil sie wissen, was sie dürfen und was nicht, weil es klare Regeln gibt und weil diese Regeln auch durchgesetzt werden.

P.S: @ Norbert: ich habe nicht geschwindelt und wirklich nicht mehr Bücher zum Thema Wolf gelesen. Aber wie schon erwähnt heisst das ja nicht, dass man darüber gar nichts weiß - Informationen dazu findet man mittlerweile auch immer wieder in guten Hundebüchern, in Dokus im TV oder auch im Internet.
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Liebe Grüße aus Wien,
Astrid mit Nanook & Chinua - jetzt auch auf Facebook


Last edited by Astrid; 07-01-2010 at 00:40.
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