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Old 25-03-2004, 14:37   #22
michaelundinaeichhorn
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Also, ich werde versuchen das was ich weiß einigermaßen verständlich zusammenzufassen. Das Thema HD ist doch einiges komplizierter als oft dargestellt.
Die Veranlagung eine HD zu entwickeln wird vererbt und zwar über mehrere Gene, alleine schon deshalb, weil mehrere Knochen das Hüftgelenk bilden, deshalb ist der Erbgang kein rein einfach Mendelscher. Zum Anteil der Vererbung ist die momentane Meinung ca 40-60%, genaues weiß man nicht und es kann auch sein, daß das von Rasse zu Rasse variiert auf jeden Fall variiert es von Autor zu Autor und es gibt auch andere Ansichten, fest steht es ist erblich. Zu große Belastung in der Wachstumsphase und vor allem zu schnelles Wachstum an sich durch zu energiereiche Fütterung erhöht den Anteil von HD in der Population. Wobei beides wenn nicht völlig verkehrt wahrscheinlich nur bei genetischer Disposition zum tragen kommt. Außerdem scheint ein zu hoher Calciumanteil im Futter sich negativ auszuwirken. Ein hoher Proteinanteil hat solange einigermaßen im Rahmen entgegen früherer Ansicht keine negative Auswirkung, ein bestimmtes Verhältnis zur zugeführten Energie muß eingehalten werden. Deshalb haben die neuen Aufzuchtfutter für große Rassen einen relativ hohen Eiweißanteil, wenig Rohfett (das enthält die Energie) und ein niedriges Ca:P Verhältnis bei generell niedrigem Ca-Anteil im Futter.
Die FCI hat eigentlich einheitliche Regeln für die HD-Beurteilung erlassen, wenn man genau hinschaut gibt es allerdings Länder, die weniger streng sind als andere, Deutschland ist relativ streng. Die deutsche Einteilung ist
A für HD-frei, B für Grenzfall - wobei B als normale (also gesunde)Hüfte im Rahmen der genetischen Varianz bezeichnet wird, C für leicht, D für mittel und E für schwer. Jeweils entweder 1 oder 2 angehängt, 1 ist besser als 2. Es wir immer die schlechtere Seite als Gesamturteil genommen, d.h. ein Hund mit einer Seite A und einer Seite D bekommt immer D. In anderen Ländern werden beide Seiten beurteilt (daher immer zwei Zahlen hinter dem Buchstaben) und es soll Länder geben, die sozusagen die Quersumme bilden, eine Seite A und eine Seite D ergibt B oder C. Außerdem darf in Deutschland erst geröngt werden wenn der Hund entgültig ausgewachsen ist also bei großen Rassen im Schnitt mit 1 1/2 Jahren, es gibt Länder die schon sehr viel früher röntgen, der HD Grad kann sich dann aber im Laufe des Wachstums noch ändern. In Deutschland muß in Sedation bis zur vollständigen Muskelentspannung geröngt werden und ein schlecht gelagertes Bild wird nicht beurteilt.
Außerdem gibt es Zentralstellen mit Gutachtern die nur bestimmte Rassen begutachten, da es deutliche anatomische Unterschiede zwischen den einzelnen Rassen gibt an die man gewöhnt sein muß um korrekt zu beurteilen. Hier gibt es evtl. ein kleines Problem bei den Wolfshunden, ein Tierarzt der schon etliche Wölfe geröngt hat hat geäußert, daß Wölfe vom Winkel her nicht so ganz ins Schäferhundschema passen und evtl. zu schlecht beurteilt werden würden, es gibt auch Gutachter die das Gegenteil sagen, die Deutschen Wolfshunde werden jedenfalls vom Schäferhundegutachter beurteilt. Wer recht hat weiß ich nicht.

A:Oberschenkelkopf und Hüftgelenkspfanne sind kongruent und der Winkel nach Norberg ist 105° oder größer, der kraniolaterale Rand der Hüfgelenkspfanne (der kopfwärtsaußen gelegene Rand) zeigt sich scharf oder ist in geringem Maße abgerundet. Der Gelenkspalt ist eng und gleichmäßig. Bei hervorragenden HÜftgelenken umgreift der kraniolaterale Azetabulumrand(Hüftpfannenrand) den Oberschenkelkopf etwas weiter nach laterokaudal (außen-schwanzwärts).

B (Übergangsform): Duch den Ausdruck Grenzfall soll zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich in solchen Fällen nicht um Tiere mit nachweisbarer HD handelt, sondern eher um Gelenkformen, die noch im Rahmen der anatomischen Variationsbreite liegen.
Entweder sind Femurkopf und Azetabulum in geringem Maße inkongruent mit einem Norberg-Winkel von 105° und größer, oder der Norberg-Winkel ist kleiner als 105° wobei Femurkopf und Azetabulum kongruent sind. Geringe Unschärfen am kranialen, kaudalen oder dorsalen Azetabulumrand können vorhanden sein.
(B2 ist hierbei etwas mit Vorsicht zu genießen, da nicht unbedingt hundertprozentig von geringsten HD-Formen abgrenzbar.)

C: Femurkopf und Azetabulum sind inkongruent, der Norberg-Winkel ist größer als 100° und/oder der kraniolaterale Rand des Azetabulum ist in geringem Maße abgeflacht. Unschärfen oder höchstens geringe Anzeichen osteoarthrotischer Veränderungen des kranialen, kaudalen oder dorsalen(zu Rücken hin gelegenen) Azetabulumrandes können vorhanden sein.

D: Deutliche Inkongruenz zwischen Femurkopf und Azetabulum mit Subluxation (Eine Stufe vor dem Auskugeln). Norberg-Winkel größer als 90°. Abflachung des kranialen Azetabulumrandes und/oder osteoarthrotische Merkmale.

E: Auffällige dysplastische Veränderungen an den Hüftgelenken wie z.B. Luxation (Ausgekugelt), oder deutliche Subluxation, Norberg-Winkel unter 90°, deutliche Abflachung des kranialen Azetabulumrandes, Deformierung des Femurkopfes (pilzförmig, abgeflacht) oder andere osteoarthrotische Merkmale.

Die Einteilung ist alles aus Ficus,Loeffler, Schneider-Haiss und Stur "HD bei Hunden". Loeffler ist der deutsche Obergutachter und hat mit Prof. Hartung, Dr. Tellhelm und Dr. Witteborg zusammen das VDH-Auswertungsschema entwickelt.

Die deutsche HD-Auswertung (immer alles für VDH/FCI!!) ist in einem sehr hohen Grade standartisiert, wir haben einmal zwei Hunde von drei Gutachter anschauen lassen, sie haben exakt den gleichen HD-Grad gegeben. Wobei der Übergang zwischen z.B. HD A2 und B1 ein fließender ist und sicher auch ein bißchen von der Tagesform des Gutachters abhängt. Außerdem gibt es einige Ursachen bei nicht mehr ganz so jungen Hunden (z.B Läufigkeit oder Geburt bei einer Hündin) die aus einer A-Hüfte beim gleichen Hund eine B-Hüfte machen können.
Der Schritt von C nach D ist aber wie man an der Definition der Einteilung sehen kann ein großer. Im allgemeinen wird ein Hund mit einer C-Hüfte bei normaler Belastung auch keine gesundheitlichen Probleme bekommen. Und um beim Auslöser der Diskusion zu bleiben: Dr. Tellhelm hat mir persönlich definitiv gesagt "Es ist bei einer kleinen Zuchtbasis durchaus vertretbar einen Rüden mit C1 zur Zucht einzusetzen wenn er wertvoll für die Zucht ist" - d.h. er stammt von Linien ab die gebraucht werden um die genetische Vielfalt zu erhalten, er hat keine Vollgeschwister mit besserer Hüfte und er hat ansonsten keinerlei Fehler - und die Nachzucht wird streng überwacht.

Die Wahrscheinlichkeit, das zwei HD-freie Eltern HD-Nachkommen zeugen liegt prozentual höher als die Wahrscheinlichkeit bei HD-Elterntieren, verpaart man von den Nachkommen von HD-freien Eltern wieder nur die HD-freien steigt sie weiter. Noch besser ist eine gleichzeitige Leistungsselektion (z.B. 40 km Lauf)
Die beste Zuchtmethode ist die über die Nachzuchtkontrolle, d.h. es werden ausschließlich HDA Hunde genommen, die Rüden dürfen 5x Decken und werden anschließend gesperrt bis ihre Nachkommen beurteilt worden sind, haben sie überdurchschnittlich viele Nachkommen mit HD bleiben sie gesperrt (am besten auch ihre Geschwister und Nachkommen) ansonsten können sie wieder decken. Dies führt zur schnellsten Verringerung der HD in der Zucht. Denn durch den polygenen Erbgang gibt es ein Problem: Es gibt HD-A Hunde die überdurchschnittlich auch schwere HD vererben und es gibt Hunde mit leichter HD die aber nur sehr gering HD-Nachkommen haben.
Das Problem bei sehr starker Selektion ist ich brauche eine sehr große Zuchtbasis an HD-freien Tieren sonst führt eine sehr strenge Selektion zu einer genetischen Verarmung die so gravierend ist, das die Rasse nicht mehr weitergezüchtet werden kann. Deshalb kann ich die Methode der Nachzuchtkontrolle nur sehr eingeschränkt benutzen.
Ein Beispiel aus der neueren Zeit sind die Hovavarts, sie haben die HD durch sehr scharfe Selektion sehr erfolgreich bekämpft, haben aber jetzt gravierende andere Probleme die nicht so einfach zu bekämpfen sind.
Anderes Beispiel die Schäferhunde, die HD-Situation ist mitlerweile tatsächlich besser, sie laufen aber nicht besser wegen der Wirbelsäulenprobleme die sie über die schlechte Rückenlinie eingezüchtet haben.
Von daher kann man im Moment bei den Tschechoslowakischen Wolfshunden nicht ausschließlich mit HD-A Tieren züchten, denn wir haben 1. nicht genügend (genetisch gesehen), 2. einige scheinen unerwartet viel HD in den Nachkommen zu haben, 3. ein Teil vererbt offensichtlich andere Fehler die nicht unbedingt tolerabel sind.
Umso wichtiger sind Leistungstests und das Vermeiden von schweren schäferhundähnlichen Tieren.

Von daher ist momentan auch die gleichzeitige ausschließliche Konzentration auf niedrigem IK und HD-A Zuchttieren eine Quatratur des Kreises, zumal im Übrigen die Wahrscheinlichkeit daß ein ingezüchteter HD-freier Hund keine HD-Anlagen vererbt rein rechnerisch größer ist als bei einem nicht ingezüchteten.

Bevor ich wieder falsch verstanden werde, ich bin absolut für eine harte HD-Selektion und für eine Verringerung des Inzuchtfaktors man muß aber die Realität berücksichtigen, es gibt noch zahlreiche andere Faktoren die die Gesundheit beeinflussen und die ich nicht vernachlässigen darf weil wir sonst in ein paar Jahren HD-freie Hunde oder Hunde mit niedrigem Inzuchtfaktor aber zahlreichen anderen Problemen und einer deutlich niedrigeren Lebenserwartung haben. Das Problem ist eben nicht so einfach wie hier oft dargestellt.

Gruß Ina
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