Thread: Jagdtrieb
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Old 28-02-2005, 20:38   #22
Yvonne
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Location: Südlicher Bayerischer Wald
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Hallo Leute, dies ist das Thema, wegen dem ich beginne hier zu schreiben (und nicht nur zu lesen wie bisher). Mein ca. zweijähriger Rüde Akin hat mittlerweile einen starken Jagdtrieb entwickelt. Bis zum ersten Lebensjahr war es noch nicht so heftig, aber schon deutlich zu erkennen. Leider ist es mir bisher nicht gelungen, ihm klarzumachen, dass das nicht erlaubt ist. Ich lebe auf dem Land, in einer sehr schönen, waldreichen, hügeligen und kleinstrukturierten Mittelgebirgslandschaft (Rehe schon aus einen Kilometer Entfernung auf dem Feld stehen zu sehen ist also nicht). "Auf dem Land" gehe ich mit ihm (auch früher schon) an einer ca. 12 m langen Laufleine - jedenfalls fast immer, sagen wir mal in 95 % der Fälle.

Frei kann Akin laufen, wenn ich in "sicheren", also weitgehend oder völlig wildfreien Gegenden unterwegs bin, so z. B. in städtischen Anlagen, mit Einschränkungen auch im Staatsforst auf stärker frequentierten Wegen, wo die Wilddichte eher gering ist. Leider sind diese Auslaufmöglichkeiten über 30 km von meinem Wohnort entfernt (und für immer auch zu langweilig). Auch bei meiner Arbeitsstelle in einer kleinen Ortschaft kann er (noch?) auf einem Fußweg entlang der Donau frei laufen, das ist aber nur ein kurzes Stück, am Ortsende reicht die Bundesstraße bis an die Donau.

Akin folgt im normalen Alltagssituationen gut, ich kann ihn (mit Ausnahme der Jagd) jederzeit gut zu mir rufen, er kann die Grundkommandos "Sitz", "Platz", "Steh" usw. gut und befolgt sie auch anstandslos, er ist ein eher ruhiger, langsamer Hund, der sich völlig neutral zu anderen Menschen verhält, d. h. er geht nicht zu Fremden, schnüffelt sie nicht an bzw. springt gar an ihnen hoch, er belästigt keine Radfahrer, Jogger usw. Er ist also ein recht braver und angenehmer Hund. Auch auf den Spaziergängen in Wald und Flur bleibt er unaufgefordert nahe bei mir, solange kein Wild im Spiel ist. Aber wehe wenn vor uns ein Hase oder ein Reh aus der Deckung springt - wenn er da gerade nicht an der Leine ist, sieht man nur noch einen Kondensstreifen ...

Spuren interessieren ihn zwar schon, wenn sie frisch sind, da ist er aber abrufbar (wenn ich laut genug werde). Er orientiert sich auch mehr optisch und akustisch. Obwohl er einen eher ruhigen und manchmal fast phlegmatischen Eindruck macht, ist er sehr aufmerksam und reagiert blitzschnell, wenn's drauf ankommt.

Wenn es denn passiert ist und er z. B. einem Reh nachrennt, jagt er nur auf Sicht, d. h. er kommt sofort zurück bzw. ist wieder abrufbar, wenn er das Objekt seiner Begierde aus den Augen verloren hat. So ist er bisher nie länger als maximal drei bis fünf Minuten unterwegs gewesen, normalerweise noch deutlich kürzer. Aber wenn er losrennt, ein Wildtier (Reh, Hase, Marder - mit Katzen gibt's gottseidank keine Probleme) vor Augen, dann scheint er so darauf konzentriert, dass er gar nicht mitbekommt (oder mitbekommen will), dass ich rufe oder ihm was nachschmeiße oder was auch immer. Er ist in diesem Moment schlicht nicht ansprechbar.

Nun ist mein Problem also folgendes: Wenn er losstartet, also das unerwünschte Verhalten zeigt, kann ich nicht auf ihn einwirken, ich erwische ihn ja nicht. Wenn er zurückkommt, kann ich ihn nicht bestrafen (bin dann ja auch wirklich heilfroh, dass nichts passiert ist ...). Zweimal ist es mir bereits zufällig gelungen, ihn von einem Reh abzurufen, weil er es quasi sofort aus den Augen verloren hat - dann habe ich ihn dicke gelobt, als er gleich zu mir kam. Ich bezweifle aber ernsthaft, dass ihm klar ist, dass Jagen wirklich verboten ist, denn wenn er losgegangen ist, hatte das für ihn noch keine unangenehmen Konsequenzen.

Insgesamt ist es auch noch nicht oft passiert, aber jedes Mal ist natürlich zuviel, weil das Nachrennen an sich ja schon ein schönes Erfolgserlebnis ist - das macht ja so Spaß! An der Leine akzeptiert er übrigens die Tatsache, dass er einer potenziellen Beute nicht hinterher kann - wenn er in die lange Leine gelaufen ist (starten muß er schon, wenn vor uns plötzlich etwas aufspringt), versucht er kaum weiter zu ziehen. Ich rufe ihn dann auch immer sofort zu mir und lobe ihn, wenn er bei mir ist. Aber sinnlos, sich Illusionen zu machen: wäre er frei gewesen, wäre er schon wieder unterwegs.

Nun speziell zu seinem Jagdverhalten: Leider ist es schon einmal passiert, dass er einen Hasen umgebracht hat. Das war zwar ein dummer Zufall: Als ich eines Abends mit dem Auto heimkam, ließ ich ihn aussteigen und schickte ihn in unseren Garten zum Pinkeln (ohne Leine natürlich). Er ging ums Hauseck - und hatte schon einen jungen Feldhasen, der dort, keine fünf Meter neben unserer Haustür, unter einem Busch geschlafen hatte. Akin hat den Hasen im Schlaf überrascht, gepackt und in Sekundenschnelle und ohne zu zögern wie bei ZIMEN beschrieben mit ein paar kräftigen Bissen getötet (ohne Schütteln, da Hase keine wehrhafte Beute ist). Wohlgemerkt, ohne vorher jemals sowas getan zu haben! Ich habe oft von anderen Hunden gehört, die mit ihrer ersten (Zufalls-)Beute noch recht unbeholfen umgingen und nicht wußten, was sie tun sollten. Natürlich hat mir der arme Hase leid getan, aber ich habe mich natürlich auch geärgert, dass Akin jetzt ein Erfolgserlebnis hatte. Ich habe Akin sofort geschimpft, worauf er den Hasen liegenließ und anstandslos mit mir ins Haus kam. Ich bin sicher, er hätte seine Beute gefressen, wenn ich ihn gelassen hätte, aber soviel Erfolg wollte ich ihm nicht gönnen ... Blöd gelaufen, nicht? Definitiv der falsche Schlafplatz gewesen, so nah neben der Tür.

Ca. vier Wochen später ist nochmal (beinahe) etwas passiert. Ich war mit Akin in München und bin in einer Parkanlage mit ihm spazieren gegangen - ohne Leine. Er spielte ausgelassen mit einer jungen Jack-Russel-Hündin. Plötzlich haben die beiden im Gebüsch einen Steinmarder aufgetrieben (wieso der überhaupt am hellichten Tag am Boden unterwegs war, weiß ich nicht, wahrscheinlich war es auch noch ein junges, unerfahrenes Tier). Es war sehr erstaunlich, wie die beiden Hunde, die sich zuvor nicht kannten, sofort angefangen haben, im Team zu arbeiten und den Marder hinaus ins Freie zu treiben. ZIMEN schreibt in seinem Buch "Der Wolf", dass kleine nicht wehrhafte Beute durch mehrere kräftige Bisse irgenwohin getötet wird, wehrhafte kleine Beute dagegen durch heftiges Schütteln. Und tatsächlich - Akin erwischte den Marder - zu dessen Glück nur ganz knapp mit den vorderen Schneidezähnen am Fell des Hinterteils - und schüttelte. Ich glaube, Akin hatte sich nicht getraut, fester zuzupacken, weil der Marder sich heftig gewehrt hatte. Auch die Terrierhündin traute sich zum Glück nicht zuzugreifen. Und da hatte ich die drei schon erreicht und ging dazwischen, Akin ließ den Marder los, und der raste sofort den nächsten Baum hinauf. Ich glaube, er ist kaum verletzt worden, Akin hatte ihn nur am Fell. Aber davon mal abgesehen - auch bei diesem Tier hat er im Prinzip genau "richtig" gehandelt ohne vorherige Erfahrung mit dieser Art von Beute.

Also habe ich kaum Zweifel, dass er auch ohne weiteres sofort in der Lage wäre, ein Reh zu töten, wenn er es denn erwischen würde - und auch das halte ich aufgrund seiner enormen Laufgeschwindigkeit nicht für völlig unwahrscheinlich. Also geht er in "gefährdeten" Situationen immer an der (langen) Leine - aber wie die beiden oben genannten Beispiele zeigen, passiert oft gerade dann etwas, wenn man gar nicht damit rechnet.

Natürlich habe ich keine Lust darauf, dass Akin den Rest seines Lebens (fast) immer an der Leine gehen muß. Solange ich allein mit ihm unterwegs bin, stört es zwar nur mäßig, wenn er an der Laufleine ist (verheddern, an Ästen und Steinen auf dem Weg hängenbleiben), wenngleich auch ein gewisses Unfallrisiko durch die Leine besteht (wir mußten schon mal in die Tierklinik wegen sowas). Aber gemeinsames Spazierengehen mit anderen Hunden (oder auch mit Pferden) macht so wirklich keinen Spaß bzw. geht gar nicht. Auch Langlaufskifahren und Radfahren wäre ohne Leine natürlich viel entspannter.

Also wenn ihr gute und praktikable Tipps für mich habt, wäre ich dankbar, wenn ihr mir eure Erfahrungen mitteilen würdet, denn ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, Akin auch angesichts flüchtender "Beute" zurückrufen zu können.

Übrigens habe ich noch keine Spiele bei ihm beobachtet, wie ihr sie beschreibt - bei ihm ist es eher so, dass er im Spiel mit anderen Hunden am liebsten den "Verfolgten" spielt, er fordert andere Hunde auf, ihm nachzurennen, und rennt dann pfotenschleudernd und hakenschlagend vor ihnen davon, den "Angreifer" spielt er eigentlich nie. Bei Balgespielen paßt er sich sehr schön seinem Spielpartner an - er spielt aber niemals ruppig oder grob.

Ich hoffe, ich hab jetzt nichts illegales geschrieben ... selbstverständlich möchte ich meinem Hund das Jagen nicht erlauben! Sonst bräuchte ich auch nicht zu fragen, wie ich ihn dazu bringe, das zu unterlassen bzw. auf meinen Zuruf zu unterbrechen. Für Vögel interessiert er sich übrigens nicht, Hühner sind kein Problem, Katzen auch nicht, Pferde auch nicht (diese Tiere kennt er allerdings auch von klein auf), bei Schafen und Ziegen habe ich auch noch keine Ambitionen von ihm beobachtet, würde es aber nicht drauf ankommen lassen, weil da schnell viel passieren kann. Vor dem Biber hat Akin sogar Heidenrespekt (was auch gut ist), der wird immer nur vom sicheren Ufer aus ängstlich verbellt.
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